«Tschüss Genderstern!»: Erste Abstimmung in der Schweiz über Beamtensprache

Erstmals in der Schweiz können Bürger und Bürgerinnen über gendergerechte Sprache abstimmen. Ein von der SVP angeführtes Komitee hat in Zürich die Initiative «Tschüss Genderstern!» eingereicht. Und auch im Nationalrat kommt das Thema auf den Tisch.

Erstmals in der Schweiz kann sich in Zürich die Bevölkerung an der Urne zur Verwendung des Gendersterns äussern.

Wie viel Gleichstellung darf es sein? Das Thema bewegt, und zwar nicht nur im Berufsalltag. Sondern ganz besonders auch im Sprachbereich. Und hierzu dürfte sich bald erstmals in der Schweiz die Bevölkerung an der Urne dazu äussern können.

In der Stadt Zürich ist nämlich am Dienstag die Volksinitiative «Tschüss Genderstern!» eingereicht worden. Wie die Initiantinnen und Initianten mitteilen, haben sie 3802 Unterschriften beisammen und zur Prüfung bei den Behörden einreicht. Für das Zustandekommen einer städtischen Initiative sind in Zürich 3000 gültige Unterschriften nötig.

Zürich «vom Genderstern befreien»

«Die Unterschriftensammlung hat uns gezeigt: Viele Zürcherinnen und Zürcher sind unzufrieden und ungehalten darüber, dass der Stadtrat auf diese Weise in die Sprache eingreift», wird Initiantin Susanne Brunner in der Mitteilung zitiert. Und die SVP-Kantonsrätin, die sich selber als Kämpferin «gegen die Genderpolizei» beschreibt, folgert: «Es gärt in der Bevölkerung.»

Die nun eingereichte Volksinitiative hat zum Ziel, die städtische Verwaltung «vom Genderstern zu befreien» und wieder vermehrt auf das generische Maskulinum zu setzen – also auf allgemeingültige Oberbegriffe. Den Genderstern hatte die grösste Stadt der Schweiz vor bald einem Jahr eingeführt. Obwohl von der SVP-Politikerin Brunner angeführt, gehören dem Initiativkomitee auch ein alt SP-Kantonsratspräsident und ein ehemaliger Mitte-Parlamentarier an.

SVP-Politikerin Susanne Brunner.

Stadt-Land- und Links-Rechts-Graben

Wie umstritten der Genderstern ist, haben nicht zuletzt auch bereits mehrere Umfragen verdeutlicht. So zeigten sich beispielsweise Anfang Jahr 54 Prozent der Befragten «überhaupt nicht damit einverstanden», dass in öffentlichen Dokumenten der Stadt Zürich gegendert wird.
Dieselbe Frage im Vorfeld der kantonalen Wahlen in Zürich bei 2500 Menschen förderte aber auch einen grossen Stadt-Land-Graben sowie grosse Unterschiede zwischen Links und Rechts zutage. Während die Wählerinnen und Wähler von der Alternativen Liste, der SP und den Grünen mit über 50 Prozent dem Gendern zustimmen, sind es bei den Unterstützern der SVP gerade einmal 3 Prozent.

Alte Männer gendern am wenigsten

Zu vergleichbaren Ergebnissen kam eben auch eine Befragung der Tamedia-Zeitungen und von «20 Minuten». Demnach gaben drei Viertel der Befragten an, beim Formulieren von Texten und beim Sprechen nicht oder eher nicht auf eine gendergerechte Sprache zu achten. Und wenn schon liegt die Bereitschaft zum Gendern im Arbeitsbereich höher als im privaten Rahmen. Und der Widerstand ist bei Männern – erst recht im fortgeschrittenen Alter – deutlich ausgeprägter.

Überhaupt erachtet laut der Umfrage mit 18 Prozent nur ein kleiner Teil der Befragten die Gleichstellung der Geschlechter als «drängendes Problem». An der Spitze stehen die Gesundheitskosten (58 Prozent), die Altersvorsorge (47 Prozent) sowie der Klimawandel (45 Prozent).

Bund verbietet gendern – auch an Hochschulen?

Bereits vor zwei Jahren entschieden hat der Bund: Der Genderstern und ähnliche Schreibweisen wie der Gender-Gap («Bürger_innen») oder der Genderdoppelpunkt («Bürger:innen») sind seither in amtlichen Publikationen und allen weiteren öffentlichen Verlautbarungen untersagt. Diese führten zu «einer ganzen Reihe von sprachlichen Problemen», heisst es in der sechsseitigen Weisung zu dem Reizthema.

Ausriss aus der neuen Weisung: «Umgang mit dem Genderstern und ähnlichen Schreibweisen in deutschsprachigen Texten des Bundes».

Allerdings müssen die Texte der Verwaltung «geschlechtergerecht» abgefasst werden. Die Beamtinnen und Beamte müssen dabei laut Weisung situativ entscheiden. Zur Auswahl stehen ihnen Sprachmittel wie Paarformen («Bürgerinnen und Bürger»), sogenannte geschlechtsabstrakte Formen («versicherte Person»), geschlechtsneutrale Formen («Versicherte») oder Umschreibungen ohne Personenbezug. Nicht erlaubt ist in der Bundesverwaltung das generische Maskulinum («Bürger»).

Doch damit ist das Thema auf Bundesebene noch nicht erledigt. In der bevorstehenden Sommersession wird das Parlament voraussichtlich über das Gendern an Hochschulen und Forschungsanstalten des Bundes entscheiden müssen.

Kommission sieht keinen Handlungsbedarf

Die Hochschulen sollten «Wissen vermitteln und Forschung betreiben», da habe die Einführung einer Gendersprache keinen Platz, begründet SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer ihren Vorstoss. Laut der Zürcherin ist stattdessen – wie bei der Initiative «Tschüss Genderstern!» in der Stadt Zürich – das generische Maskulinum zu verwenden.

Zwar empfiehlt die vorberatende Kommission des Parlaments die Parlamentarische Initiative mit 14 zu 9 Stimmen zur Ablehnung. Die Anweisung an die Verwaltung, sich um eine «sachgerechte, klare und bürgerfreundliche Sprache zu bemühen und auf geschlechtergerechte Formulierungen» zu achten, sei ausreichend, argumentiert die Kommissionsmehrheit.

Dennoch dürfte die Debatte im Rat hitzig werden, und das, obwohl zu dem Vorstoss eigentlich nur eine Kurzdebatte vorgesehen ist. Während Linke generell mehr Gleichstellung fordern – und damit auch das Gendern befürworten –, hat die SVP «Stopp Gender-Gaga» zu einem ihrer Themen im laufenden Wahlkampf erklärt.

Die Zürcher SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer will die gendergerechte Sprache an Hochschulen des Bundes verbieten.