Die Zürcher SVP-Politikerin Susanne Brunner lanciert eine Volksinitiative gegen den Genderstern: «Rot-Grün missbraucht die Sprache als politisches Instrument für einen Geschlechterkampf», sagt sie
Nonbinären Personen empfiehlt sie, die deutsche Grammatik genauer zu studieren.
Die Zürcher SVP-Stadtparlamentarierin Susanne Brunner hat eine Mission: Sie ist eine selbsternannte Kämpferin gegen die «Genderpolizei». Ihr Engagement gründet auf einem Vorfall im Sommer 2019. Damals wies das Büro des Gemeinderats einen Vorstoss Brunners zurück mit der Begründung, er sei nicht gendergerecht formuliert.
Das liess sie nicht auf sich sitzen: Brunner wehrte sich juristisch – und bekam recht. Sprachformale Vorgaben seien keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Rückweisung, hiess es.
Nun geht Brunner einen Schritt weiter: Am Mittwoch lanciert sie eine Volksinitiative mit dem Ziel, der Stadtverwaltung das Gendern zu untersagen. Titel der Initiative: «Tschüss Genderstern!» Konkret soll in der Gemeindeordnung – der städtischen Verfassung – festgehalten werden, dass die Stadt eine «klare, verständliche und lesbare Sprache» verwendet und in ihren Dokumenten auf Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichtet.
Frau Brunner, Sie kämpfen gegen Gendersternchen, Binnen-I und Glottisschläge in der deutschen Sprache. Nun lancieren Sie sogar eine Initiative, um das Gendern in der Zürcher Stadtverwaltung zu stoppen. Warum dieser Furor?
Bei keinem anderen politischen Thema habe ich so viele Rückmeldungen erhalten wie damals, als ich mich gegen die Gendersprache bei politischen Vorstössen wehrte. Noch lange danach haben mich Leute auf der Strasse angesprochen und sich bedankt, dass ich mich für die deutsche Sprache engagiere. Sogar aus Deutschland oder Österreich habe ich Zuspruch bekommen. Ich habe den Eindruck, dass sich viele Leute machtlos fühlen gegenüber den Eingriffen von Eliten in unsere Sprache. Mit meiner Initiative will ich der Bevölkerung die Möglichkeit geben, Stellung zu dieser wichtigen Frage zu nehmen.
Aber braucht es dazu wirklich einen Eintrag in der Zürcher Gemeindeordnung?
Die Stadtpräsidentin Corine Mauch gendert mittlerweile konsequent, sowohl schriftlich als auch mündlich, sie spricht die Bürger mit «Zürcher*innen» an. Das entspricht nicht der deutschen Rechtschreibung, nicht dem, was an den Schulen gelehrt wird. Wenn man den Genderstern anwendet, führt das zu grammatikalisch falschen Formen: «Ärzt*in», «Bäuer*in» . . . Das ist irreführend. Es gibt keinen «Ärzt» und auch keinen «Bäuer». Man muss sich fragen: Warum kommunizieren die Stadtregierung und die Verwaltung in einer Sprache, die nicht der breiten Bevölkerung entspricht?
Ihre Antwort darauf?
Die rot-grüne Stadtregierung missbraucht die Sprache als politisches Instrument für eine Art Geschlechterkampf und auch, um verschiedene Geschlechtsidentitäten penetrant zu betonen. Aber die Sprache gehört nicht dem Zürcher Stadtrat, sie gehört uns allen.
Sie reden von Geschlechterkampf. Das könnte man auch Ihnen vorwerfen: Sie setzen sich für das traditionelle Verständnis von Geschlechtern ein, jetzt sogar mit einer Volksinitiative.
Was ist denn der Sinn und Zweck von Sprache? Menschen sollen einander verstehen. Sprache muss klar sein. Vor nicht allzu langer Zeit bemühte sich die Stadt mit der sogenannten «Leichten Sprache», behördliche Texte verständlicher zu machen. Nun macht der Stadtrat genau das Gegenteil. Gendern macht die Sprache sperrig und unverständlich, vor allem, wenn man es übertreibt.
Faktisch will Ihre Initiative das Gendern verbieten. Letztlich ist das eine illiberale Haltung.
Das sehe ich anders: Die Initiative befreit die Stadt Zürich vom Genderstern. Sie ist eine Reaktion auf die Revision des Reglements über die sprachliche Gleichstellung, die der Stadtrat im Sommer erlassen hat. Hier hat sich unsere Regierung verrannt. Der deutsche Rat der Rechtschreibung lehnt den Genderstern ab. Die Bundeskanzlei ebenfalls. Er führt zu Rechtsunsicherheiten, das gibt die Stadt sogar selbst zu. Gemäss dem städtischen Reglement darf etwa in Abstimmungstexten, in Weisungen oder Eingaben an Gerichten der Genderstern nicht angewendet werden. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Behörden, so zu kommunizieren, dass die Bevölkerung sie versteht. Wenn es nun aber in einer Polizeimeldung heisst: «Die Bankräuber*innen sind geflüchtet» – muss man jetzt Männer oder Frauen suchen?
Trotzdem: Sie haben sich immer gegen Sprachdiktate gewehrt. Nun verordnen Sie selbst eins.
Das erste Sprachdiktat ist dasjenige des Zürcher Stadtrats, der sämtliche Mitarbeiter der Verwaltung zum Gendern zwingt. Meine Initiative soll die Mitarbeiter von diesem Zwang befreien, der nicht demokratisch legitimiert ist.
Sie selber verwenden ja konsequent das generische Maskulinum. Gerade jüngeren Leuten ist das aber nicht mehr geläufig, und Frauen fühlen sich nicht mitgemeint, wenn zum Beispiel bloss von «den Studenten» oder «den Schülern» die Rede ist.
Das generische Maskulinum ist eine saubere, bewährte Lösung. Es schliesst niemanden aus: Frauen, Männer, Transpersonen, alle sind eingeschlossen. Es ist klar, es ist einfach, es ist die inklusivste Form überhaupt.
Sprache befindet sich seit je im Wandel. Die Stadt hat das Gendern eingeführt, weil sie mit ihrer Kommunikation explizit niemanden ausschliessen will. Was ist daran falsch?
Natürlich wandelt sich die Sprache, das ist auch richtig so. Wir reden heute nicht mehr so wie vor hundert Jahren. Aber repräsentative Umfragen haben gezeigt, dass das Gendern die Leute stört. Gendern hat nichts mehr mit einem natürlichen Wandel zu tun, sondern es steckt eine politische Agenda dahinter. Ständig werden Geschlechtsidentitäten betont. Meiner Meinung nach eint das die Gesellschaft nicht, es spaltet sie. In Zürich gehen die Forderungen so weit, dass auf Schulen geschlechtsneutrale Toiletten gebaut oder queere Alterssiedlungen geplant werden sollen. Aus meiner Sicht führt das in die komplett falsche Richtung. Statt Inklusion gibt es mehr Separation.
Fakt ist aber auch, dass sich etwa nonbinäre Personen wie Kim de l’Horizon, soeben ausgezeichnet mit dem Deutschen und dem Schweizer Buchpreis, durch das generische Maskulinum diskriminiert fühlen. Sollten wir nicht auf die Bedürfnisse von Minderheiten Rücksicht nehmen?
Doch, selbstverständlich. Allerdings empfehle ich auch diesen Gruppen, einmal die deutsche Grammatik genauer zu studieren. Vielleicht braucht es hier Nachhilfeunterricht.
Wie würden Sie Kim de l’Horizon in einer Korrespondenz ansprechen?
Da will ich mich nicht festlegen, weil diese Frage weder juristisch noch sprachlich gelöst ist.
Beide Geschlechter zu nennen, gilt auch als feministisches Anliegen. Sie sind eine erfolgreiche Politikerin und selbständige Unternehmerin – eigentlich der Prototyp einer Feministin. Ist aus Ihrer Sicht die Gleichstellung so weit erreicht, dass man sie nicht mehr in der Sprache zum Ausdruck bringen muss?
Sprache kann zur Gleichstellung nichts beitragen. Gleichstellung erreicht man nur durch Verfassung und Gesetze. In der Schweiz haben wir Gleichstellung der Geschlechter, und das ist gut so. Allerdings gibt es in Zürich politische Kräfte, die glauben, Gleichstellung sei nicht erreicht. Dann kommen sie mit Anliegen wie Gratis-Tampons in öffentlichen Toiletten oder Menstruationsferien für Verwaltungsangestellte. Sonderbehandlung für Frauen ist jedoch das Gegenteil von Gleichstellung. Und interessanterweise diskriminieren dann ausgerechnet diese Parteien ihre Männer und lassen sie nicht mehr an Wahlen teilnehmen. Dass grosse Medienhäuser wie SRF bei dieser Scheindebatte mitmachen, halte ich für falsch. Das ist ein Einknicken vor dem vermeintlich allumfassenden Zeitgeist.
Sie reichen Ihre Genderstern-Initiative allein ein und nicht im Namen der SVP. Mit Absicht?
Hinter der Initiative steht ein überparteiliches Komitee, etwa mit der Stadtparlamentarierin Isabel Garcia (GLP), dem früheren Statthalter Hartmuth Attenhofer (SP) oder dem ehemaligen CVP-Gemeinderat Markus Hungerbühler. Mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass ich nicht nur Zuspruch aus bürgerlichen Kreisen bekomme, sondern auch von anderen Seiten. Meine Absicht war, die Initiative gesellschaftlich noch breiter abzustützen. Ich habe deshalb verschiedene Unternehmer in der Stadt Zürich angefragt. Alle fanden mein Anliegen gut, haben aber abgewinkt, weil sie sich bei diesem Thema nicht exponieren wollen. Das ist für mich ein Alarmzeichen.
Mit Ihrer Initiative setzten Sie sich im urbanen, rot-grünen Zürich einem Risiko aus. Es könnte sein, dass das Anliegen abgelehnt wird. Das wäre dann ein klarer Volksentscheid für den Genderstern.
Ja, dieses Resultat müsste ich dann akzeptieren. Ich bin aber sicher, dass ich mit meiner Initiative auf offene Ohren und Herzen stossen werde.